„Aktuelle Situation der Wirtschaft in Deutschland, Europa und der Welt“. Hierzu diskutierte mit uns:
Dr. Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages DIHK
„Verantwortlicher Politiker zu sein in diesen Zeiten sei schon sehr schwierig. Der Krieg hat die Welt verändert“, so leitet Wansleben seinen Vortrag ein im Kreise des „Liberalen Mittelstands Berlin -LIM“ und der „DGLI-Deutsche Gruppe des Liberal International e.V.-Sektion Berlin“.
Damit macht er schon gleich zu Beginn deutlich, dass er keine Abrechnung mit der derzeitigen Politik machen möchte. Es ist ihm ein besonderes Anliegen nicht darüber zu urteilen was vor dem Krieg alles falsch gemacht wurde, sondern zu zeigen was war, wie sich die Verhältnisse geändert haben und wie nun mit dieser veränderten Situation zu verfahren sei. Das, was fast über 50 Jahre funktioniert habe, nämlich Energie aus Russland zu beziehen, wäre in der Vergangenheit nicht falsch gewesen. Das Prinzip „Wandel und Handel“ war ein anerkanntes Konzept im Bemühen um ein friedliches Miteinander. Der Bezug preiswerter Energie habe auch mit zu unserer Wohlstandsbildung beigetragen. Das sei jetzt vorbei. Nun wäre zu klären, wie mit dieser neuen Situation umzu- gehen sei, um unser Land in einer guten Verfassung zu erhalten oder dahin zu führen. Attraktiv zu machen für die Menschen, die hier leben und für dieje- nigen, die vielleicht nach Deutschland kommen möchten oder die, die schon hier angekommen sind. Dazu führte er eine Studie an. Diese richtete sich an 12.000 „Expats“, an Menschen, die außerhalb ihres Heimatlandes leben und zum Beispiel als Fachkräfte in eine ausländische Zweigstelle ihres Arbeitgebers wechseln. In dem Ranking seien 52 Staaten gelistet. Deutschland belegt Platz 42. Auswahlkriterien der 12000 Befragten waren u.a. Stand der Digitalisierung und verfügbarer Wohnraum. Zwei Bereiche in denen wir nicht punkten konnten. Dabei wäre es angesichts der demografischen Entwicklung in unserem Land von hoher Bedeutung Arbeitskräfte im Ausland zu akquirieren. Der Mangel an Arbeitskräften, insbesondere an Fachkräften, würde zu einem großen Problem der deutschen Wirtschaft.
Ein weiteres Problem zeige ein Blick auf die Energiepreise. Bereits jetzt seien die Energiepreise in USA und Frankreich deutlich niedriger als in Deutschland. Die Nachfrage in den USA nach Geschäftsverlagerung von Deutschland in die USA sei stark gewachsen. 2030, so lauteten Prognosen, würden sich die Preis- strukturen im Energiesektor eher noch verschlechtert haben. Das sei eine große Herausforderung.
Wansleben lobte in diesem Zusammenhang die Politik unseres Kanzlers, der sich bemühe die Beziehungen zu China nicht abreißen zu lassen. So schwer es auch falle, der Handel mit China sei für uns sehr wichtig. „Es gibt keine Welt ohne China. Im größten Markt müssen wir mitspielen. Auch die schwierigen Beziehungen zu den Golfstaaten müssen pragmatisch gehändelt werden. Wir brauchen sie für die Lösung unserer Energieprobleme“. In Deutschland würde Scholz’ Besuch bei Xi kritisch durchleuchtet. Wenn Biden mit Xi spräche, sei das gut und erwecke Hoffnung nicht nur für Frieden in der Welt, sondern auch für Handel und Wirtschaft.
Wirtschaftliche Zusammenarbeit sollten die Unternehmer entscheiden. Und wir sollten unsere Stärken zeigen. Klimatechnik als Exportschlager. Besonders die Staaten auf der Südhälfte unseres Globus könnten unsere Technologie gut nutzen und gleichzeitig würde ein unverzichtbarer Teil des weltweiten Engagements zur Klimapolitik erfüllt. Dieses Technik Knowhow könne Experten aus aller Welt anziehen und uns als Standort attraktiv machen.
„Die Politik kauft und verkauft nicht. Sie schafft Rahmenbedingungen“. Diese sollten sich aber in die Gesamtheit bestehender Verhältnisse einfügen. Wir müssten wissen, dass die Welt auf dem Wege sei, sich in Machtblöcke aufzuteilen. Russland, Amerika, China. Indien und ggf. Europa setzten die Bedingungen. Natürlich gäbe es auch in der Wirtschaft Grundwerte, die man berücksichtigen müsse. Allerdings dürfe eine ideologisch geprägte Bugwelle nicht dazu führen, dass man in anderen Gesellschaften und Kulturen dabei durchs Raster rutsche. Manchmal müsse man auch in den sauren Apfel beißen, um im Spiel bleiben zu können. Vorgaben wie unser Lieferkettengesetz, dass Unternehmern in Asien oder auch anderswo einen Katalog mit hunderten Fragen stelle, trage sicher nicht dazu bei, Geschäfte erfolgreich gestalten zu können. „Augenmerk ja, aber bitte in Maßen“.
Vor dem Hintergrund sich weltweit ändernder Rahmenbedingungen sei über die Stärken des Wirtschaftsstandortes Deutschland nachzudenken. Wissenschaft und Forschung gehörten mit Sicherheit dazu. Darüber müssten wir uns in Europa und auch darüber hinaus eine starke Position erarbeiten. Das lockt Fachleute aus dem Ausland, solche, die wir dringend benötigten.
Ein Blick auf die Konjunkturentwicklung wird zeigen, dass wir am Jahresende mit einem aufs Jahr bezogenen unterdurchschnittlichem Wert rechnen müssten. Ergebnis des sinkenden Wachstums im Jahresverlauf. Mittelfristig würden wir, gemäß eines allgemein verbreiteten Konjunkturpessimismus‘, am Ende möglicherweise besser rauskommen als gedacht. Allerdings sei es schwer eine Prognose abzugeben. Niemand wüsste was passiert. Gibt es genug Gas? Wieviel Geld muss ich dafür in meinen Planungen ansetzen? Was ist mit dem Wasserstoff? Schaffen wir Energie mit Windkraft im erforderlichen Umfang zu erzeugen?
Abschließend macht Wansleben noch einmal deutlich, dass durch den Krieg in der Ukraine viele Probleme, die wir bis zum Februar 2022 noch in der Ferne gesehen hätten, plötzlich Wirklichkeit wurden. Es sei allerhöchste Zeit diese anzufassen und Lösungen zu entwickeln. Unsere Wirtschaft, und besonders die Mittelständische, brauche dringend Planungssicherheit.